Ganz eindeutig werden heute nur noch sehr wenige Briefe geschrieben. Wenn ich hier zum Briefeschreiben ermuntere, dann besonders, weil dir das Schreiben und Gestalten des Briefes ein gutes Gefühl geben soll. Wichtig ist allerdings, dass du nicht beleidigt bist, wenn du keinen Brief zurückbekommst. In der Regel gibt es aber eine ausführliche Mail oder auch einen Telefonanruf. Die Begeisterung des Empfängers deines Briefes sollte Lob genug sein.
Du schreibst einen Brief nicht nur für den anderen, sondern auch für dich selbst.
Briefe zu schreiben ist oft eine Einbahnstraße, aber darum geht es nicht.
Sicher, ein Brief ist noch kein Geschenk, aber die Mühe, die man hineinsteckt, ist zuweilen höher einzuschätzen, als ein Geschenk zu kaufen. Schenken sollte man, weil man schenken möchte, ohne dass man eine Gegenleistung erwartet oder gar die Verwendung des Geschenks reglementieren möchte. Das macht eindeutig zufriedener.
Wenn du plötzlich anfängst, Briefe zu schreiben, heißt das keinesfalls, dass alle anderen jetzt auch Briefe schreiben wollen. Heute ist das eher ein Hobby. Wie schon gesagt, du wirst antworten erhalten, aber oft in der heute üblichen Kommunikationsform. Viele Menschen fühlen sich nicht in der Lage einen Brief zu schreiben, schätzen dich aber dennoch wert. Wichtig ist hier, dass du deine Erwartungshaltung über Bord wirfst, denn du tust etwas heute Unübliches, du fällst aus dem Rahmen. Das bringt dir oft Bewunderung ein, aber nicht unbedingt Nachahmer.
Was aber auch stimmt, ist, dass sich deine Briefe in der weiten Familie oder im großen Freundeskreis herumsprechen und so kann indirektes Lob, über dritte Personen, zu dir gelangen, etwa so: “Ach, das ist ja so lieb, dass du Tante Ingrid den schönen Brief geschrieben hast, sie hat ihn mir jetzt schon zum 2. Mal vorgelesen.”
Ein wenig Altruismus ist doch ganz nett fürs Selbstwertgefühl. Es wird auch passieren, dass gar keine Resonanz kommt. Nun, dann kannst du einfach hoffen, dass du der Person eine Freude gemacht hast und dich daran erinnern, dass du Spaß am Schreiben des Briefes hattest. Einen weiteren Brief musst du ja nicht mehr schreiben.
Briefe zu schreiben ist oft eine Einbahnstraße, wenn man genau dieselbe Form der Rückantwort erwartet. Erstens, gibt es genügt andere Versionen der Antwort. Zweitens geht es beim Briefeschreiben für dich auch darum, dich selbst auszudrücken und kreativ zu sein.
Warum sollst du gelegentlich einen Brief schreiben?
Du fühlst dich nach dem Abschicken des Briefes gut, weil du an jemanden gedacht hast, weil du stolz auf dein Werk sein kannst, oder weil du vielleicht gespannt bist, wie der Empfänger reagieren wird.
Ich schreibe viele Mails und für viele Belange ist das die perfekte Kommunikationsform, aber Mails sind kein Ersatz für einen Brief.
Ein Brief ist eine hohe kreative Leistung, bei der du dir intensiv Gedanken machst. Threads oder Kurzmails und andere Messages werden meistens nicht so lang und ausführlich sein, und sie sind schneller geschrieben und weniger redigiert, überarbeitet. Oft fehlt es an der Sorgfalt. Es gibt natürlich immer Ausnahmen, aber Mails sind oft nur mittelprächtig formuliert.
Dir KI ist nur ein Hilfsmittel für den Autoren, so wie die KI auch zur Ideenfindung beim Zeichnen oder Malen beitragen kann.
Ja, mithilfe von KI werden auch die Mails immer fehlerfreier und die Formulierungen sind besser. Man erkennt allerdings die KI Texte oftmals und das wird auch in Zukunft mutmaßlich so sein. Es sei denn, die KI ist gezielt darauf trainiert, eine bestimmte Person nachzuahmen. Man erkennt sie besser, je mehr KI-Texte man selbst verfassen ließ und auch gelesen hat.
Wenn sich jemand ein bisschen Mühe gegeben hat, dann sind im KI-Text zumindest keine sachlichen Fehler mehr drin, aber oftmals sind sie zu “glatt” zu schwulstig und sie passen nicht so richtig zur schreibenden Person. Selbst formulieren ist angesagt, dabei kann man sich aber von der KI durchaus helfen lassen. Nur eben nicht zu viel.
Mir macht es aber mehr Spaß und Freude ohne die KI die Sätze im Brief zu bilden. Zur Prüfung auf Rechtschreib- und Grammatikfehler setze ich aber Software ein. Es ist kein Zeichen für Authentizität, wenn der handgeschriebene Brief vor Fehlern nur so strotzt.
10 Gründe für das Briefeschreiben
Es ist ein gutes Gefühl, in Ruhe über einen Brief nachgedacht zu haben.
Durchdachte Sätze und Gedanken: Wenn man Briefe von Hand schreibt, dann muss man sich zwangsweise die Sätze erst einmal im Kopf überlegt haben, bevor man ein Wort hinschreibt. Das merkt man den Textformulierungen oft an, sie sind “besser” geschrieben.
Wenn man einen Brief schreibt, dann darf man auch mal den edlen Füller benutzen. Ein Stift fühlt sich lebendiger an als eine Tastatur. Ein Füller hat heute schon fast etwas Nostalgisches an sich.
Eine kleine Zeit des Nicht-Digitalen: Wenn man einen Brief schreibt, dann ist man nicht so sehr abgelenkt von allen anderen Programmen, die am Notebook oder auf dem Phone im Hintergrund laufen oder auf weitere Bearbeitung warten. Man könnte fast von einer kleinen Phase der bewussten Entschleunigung reden. Nachdem der Brief geschrieben ist, kann man sich wieder vollkommen in die digitale Welt stürzen. Ein leckerer Tee aus der Teebox und das Briefeschreiben geht wie von selbst.
Fokus: Bei einem Brief gibt es nur das Papier, den Stift und die Gedanken.
Briefe zu schreiben, hat damit auch eine meditative Komponente. Man überlegt sich in Ruhe, aber konzentriert, was man in welchem Ton mitteilen möchte. Die Welt um sich herum stellt man für eine kurze Zeit zurück. Man hört mehr in sich hinein. Briefe zu schreiben, ist eine kleine Zeit der Achtsamkeit und damit wohltuend.
Ein Brief ist in vielen Fällen persönlicher formuliert als eine Mail, wobei das mit Sicherheit auch vom Alter abhängig ist. Es ist aber schon die Frage, was dem gesprochenem Wort im Hinblick auf Vertraulichkeit näher kommt: die Mail oder der Brief. Vielleicht gibt es auch bei der jungen Generation durchaus eine interne Zensur, weil sie ja nun wissen, dass der eigenen Rechner, der Cloud-Zugang und anderes gehackt werden kann oder man eine Mail aus Versehen an eine andere Person sendet. Letzteres passiert mit einem Brief eher nicht.
Weil der Brief etwas sehr Persönliches ist und auch eher das Gefühl von Einmaligkeit und Beständigkeit vermittelt, gibt man sich mehr Mühe beim Schreiben. Auch der Empfänger des Briefes merkt das, und weiß es in den meisten Fällen zu schätzen. Auf einen Brief wird von vielen Leuten nicht nur reagiert, sondern es erfolgt auch oft ein Dankeschön. Das ist nett, auch wenn die Reaktion nicht ein Brief ist, wie oben schon beschrieben.
Beständigkeit und Dauerhaftigkeit: So manch ein Brief bleibt mit einer Schleife versehen in einer besonders schönen Box verstaut und wird vielleicht sogar jedes Jahrzehnt heraus gekramt und neu gelesen. Wenn man einen Brief schreibt, kann man das Glück haben, etwas Langfristiges erschaffen zu haben. Das gibt ein gutes Gefühl.
Die oben angesprochene Einmaligkeit oder Uniqueness muss gesondert hervorgehoben werden. Gerade durch den Einsatz von KI in Verbindung mit digitaler Kommunikation werden viele Texte, auch scheinbar persönliche Mitteilungen, beliebiger. Das ist so, weil am Ende die üblichsten KIs doch auf dieselben Trainingsmethoden und Datensätze zugreifen. Es geht so weit, dass teilweise KIs von KI-Texten “lernen”.
Den richtigen, persönlichen Ton treffen. Auch trifft die KI die Sprache des Absenders nur so ungefähr. Für alltägliche Kommunikation sind die KI-Texte schon teilweise ausgezeichnet, wenn man die richtigen Parameter einstellt. Bei besonderen Texten fehlt immer irgendwas. Mal ganz abgesehen davon soll der Briefschreiber selbst nachdenken, das ist doch der Spaß daran.
Handgeschriebene Briefe sind immer auch kreativ gestaltet
Es ist nicht nur die kreative Texterstellung, die den Brief ausmacht, es sind auch andere Dinge, die Kreativität beim Briefeschreiben ausweisen:
Die Wahl des Papiers kann schon etwas ganz Besonderes sein. Es reicht von einem einfachen A4 Blatt, über strukturiertes 120 g/m² Briefpapier oder Aquarellpapier bis zu bunten und bemusterten Briefpapieren mit passendem Umschlag.
Kleine Zeichnungen auf dem Briefpapier. Du kannst auf dem Briefpapier, nach dem du den Text geschrieben hast, überall kleine Muster zeichnen. Das macht auf jeden Fall Eindruck.
Sehr eindrucksvoll ist es auch, wenn du dein Briefpapier ganz zart mit Aquarellfarbe einfärbst. Dabei kannst du auch die Farben wählen, die zum Inhalt des Briefes passen.
Die Wahl des Stiftes ist auch ein Statement. Mit einer breiten Füllerfeder zu schreiben, hat eine andere Optik als mit einer schmalen Feder zu schreiben.
Ein Brief, der mit dem Kugelschreiber geschrieben wurde und dann auch noch Kulizeichnungen enthält, kann etwas Lockeres und Leichtes an sich haben.
Wenn du lieber mit Fineliner schreibst, dann ist das auch O.K. damit kannst du dann tolle Zeichnungen anfügen oder die Buchstaben verzieren.
Gemalte Buchstaben: Du kannst die Anfangsbuchstaben jedes Satzes oder Absatzes gesondert gestalten. Das geht dann schon ins Handlettering rein.
Fazit: Handgeschriebene Briefe sind eine befriedigende kreative Schöpfung
Solange du nicht erwartest, für deine Briefe in gleicher Weise entlohnt zu werden, ist der handgeschriebene Brief eine wunderbare und kreative Tätigkeit, auf die du stolz sein darfst. Briefe zu schreiben fördert das konzentrierte Formulieren auf unterhaltsame Weise. Diese persönlichen, gefühlvollen und gut durchdachten Texte sind für sich eine kreative Leistung. Die Wahl der Schreibutensilien und die weitere künstlerische Gestaltung des Briefes ist eine weitere kreative Schöpfung. Also, such dir einen netten Menschen aus und schreib ihm einen Brief.